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Der 30jährige Krieg (1618 - 1648) hat in Böhmen begonnen und er hat dieses so reiche Kernland Europas ganz besonders schlimm mitgenommen.
Kampfhandlungen, Seuchen, Fluchtbewegungen und Vertreibungen aus religiösen und politischen Gründen haben viele Regionen Böhmens veröden lassen. Die Wohnbevölkerung war dramatisch reduziert.
Von den angeblich 2 Millionen Menschen im Jahr 1618 waren angeblich nur ca. 800.000 übrig geblieben.

Nach dem Abzug der letzten fremden Truppen erging daher am 4. Februar 1651 der Auftrag (ein Patent) des Landesguberniums (Landesregierung) an die 15 Kreishauptleute binnen sechs Wochen eine umfassende Zählung und Beschreibung der (noch) vorhandenen Bevölkerung nach religiösen Kriterien durchzuführen: katholisch, acatholisch, bei Letzteren auch, ob Hoffnung auf Bekehrung bestand. Damit sollten die Gebiete des Landes lokalisiert werden, wo die katholische Gegenreformation mit ihrer Missionstätigkeit ansetzen sollte.
Die Kreishauptleute gaben diesen Auftrag an die Grundherrschaftsverwaltungen, die Gutsverwaltungen, die Stadtverwaltungen und die Eigentümer der Freihöfe in ihrem Bereich weiter.

Bis Anfang Juli 1651 waren etwa zwei Drittel dieser detaillierten Listen erstellt und übermittelt. Am 3. Juli 1651 wurde für die Säumigen ein neues Patent erlassen, wonach nur mehr die Listen der Acatholischen (Nichtkatholiken) vorzulegen sein. 

Die Berichte der Grundherrschaften und Stadtverwaltungen wurden in einem oder mehreren Bänden pro Kreis zusammengefaßt und an die Landesregierung geschickt.

Diese einzigartigen Codices (Handschriften) haben alle folgenden Katastrophen der böhmischen Geschichte überstanden. Heute liegen sie im Tschechischen Nationalarchiv in Prag und sind für die Forschung zugänglich.

Seit 1993 transkribieren tschechische Historikerinnen diese Bände und geben sie unter dem Titel "Soupis poddaných podle víry z roku 1651" (Seelenlisten) in gedruckter Form heraus. Bislang (Oktober 2017) wurden auf diese Weise die Bände von 11 der 14 damaligen böhmischen Kreise einer größeren Öffentlichkeit zugänglich. Je nach dem Umfang erschienen zwischen einem und vier Bände pro Kreis.
Mehrere dieser Editionen sind inzwischen vergriffen, von einigen gibt es zweite Auflagen.

Die Bände für diese Kreise sind bisher erschienen: 

Bechyner Kreis:
Soupis poddaných podle víry z roku 1651, Bechyňsko, Zdena Kokosková, Helena Sedlačková, Magda Zahradniková, 3 Bände, Praha 1997, ISBN 80-85475-39-1

Berauner Kreis (Podbrder Kreis):
Soupis poddaných podle víry z roku 1651, Berounsko, Helena Klímová, Praha, 1995 und 2007, ISBN-Nr. 80-85475-22-7 bzw. ISBN 978-80-86712-44-4

Bunzlauer Kreis:
Soupis poddaných podle víry z roku 1651, Boleslavsko, Alena Pazderová, 2 Bände, Praha 1994, ISBN-Nr. 80-85475-14-6

Caslauer Kreis:
Soupis poddaných podle víry z roku 1651, Čáslavsko, Magda Zahradníková, Eva Strejnová, Praha 1999, ISBN 80-85475-54-5

Chrudimer Kreis:
Soupis poddaných podle víry z roku 1651, Chrudimsko, Lenka Matušikova, 3 Bände, Praha 2001, ISBN 80-85475-74-X

Elbogener Kreis:
Soupis poddaných podle víry z roku 1651, Loketsko, PhDr. Eliška Čáňová, Praha 1993, ISBN-Nr. 80-85475-09-X

Kaurimer Kreis:
Soupis poddaných podle víry z roku 1651, Kouřimsko, Helena Klímová, Praha 1997, ISBN 978-80-86712-70-3

Königgrätzer-Bydzower Kreis:
Soupis poddaných podle víry z roku 1651, Hradecko-Bydžovsko, PhDr. Lenka Matušikova, PhDr. Zlatuše Kukanová, Magda Zahradniková, 4 Bände, Praha 2000, ISBN 80-85475-63-4
Einleitung auch in deutsch, mit einer Karte der Herrschaftsgebiete

Pilsener - Klattauer Kreis:
Soupis poddaných podle víry z roku 1651, Plzeňsko-Klatovsko, Magda Zahradníková, 2 Bände, Praha 2003, ISBN 80-86712-01-X
Am Ende des 2. Bandes befindet sich ein Ortsregister mit tschechischen und deutschen Ortsnamen, Übersetzung der Anmerkungen zu einzelnen Orten und der Einleitung und eine Karte der Herrschaftsgebiete.

Rakonitzer Kreis:
Soupis poddaných podle víry z roku 1651, Rakovnicko, Alena Pazderová, Praha 1996 und 2008, ISBN-Nr. 80-85475-29-4 bzw. ISBN 978-80-86712-51-2

Saazer Kreis:
Soupis poddaných podle víry z roku 1651, Žatecko, Magda Zahradníková, Eva Strejnová, 3 Bände, Praha 1997, ISBN-Nr. 80-85475-31-6, mit einer deutschen Einleitung und einer Karte der Herrschaftsgebiete

 

Die Bände für diese Kreise fehlen noch: 

Leitmeritzer Kreis:
bisher nicht erschienen

Moldauer Kreis:
bisher nicht erschienen

Prachiner Kreis:
bisher nicht erschienen

Schlaner Kreis:
bisher nicht erschienen

Das eigentliche Egerland (das Gebiet um Eger) war damals eine habsburgische Pfandherrschaft in Bayern und gehörte noch nicht zu Böhmen (de facto erst ab 1751 bzw. formal erst ab 1806).

Dasselbe gilt für das Ascher Ländchen, das erst 1775 zu Böhmen kam.

 

Wegen der vergriffenen Bände hat das Tschechische Nationalarchiv nun alle 11 bereits erschienenen Bände dieser einzigartige Quelle frei zugänglich als PDF-Dateien ins Netz gestellt.
Sie finden sie hier: https://www.nacr.cz/vyzkum-publikace-odborne-akce/publikace/e-knihy

Es handelt sich hiebei um die Bände folgender Kreise:
- Bechyn
- Beraun (im März 2018 nachträglich ins Netz gestellt worden)
- Bunzlau
- Caslau
- Chrudim
- Elbogen (im April 2018 nachträglich ins Netz gestellt worden)
- Kaurim
- Königgrätz - Bydzow
- Pilsen - Klattau
- Rakonitz
- Saaz

 

Die damalige Kreiseinteilung Böhmens findet man auf diesen Karten:

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2f/Zem%C4%9B_Koruny_%C4%8Desk%C3%A9.jpg (durch Draufklicken vergrößerbar)

Hier die Abhandlung von Herrn Ewald Keil zu den böhmischen Kreisen:
http://ekeil.gmxhome.de/vwe-a-m.htm#b 

 

Die Gliederung der Bände erfolgte nach Kreisen - Grundherrschaften - Orten - Häusern (noch ohne Hausnummern).

Bei jedem Haus sind alle erwachsenen Bewohner mit dem Namen, dem Lebensalter, (falls vorhanden) dem Verwandtschaftsverhältnis zueinander und der Konfession angegeben.
Meist werden auch noch die Berufe, manchmal der Familienstand, der Gesundheitszustand, arm oder reich und andere Daten angeführt.
Der Umfang der Daten variiert von Liste zu Liste stark.

Kinder ab dem 10. Lebensjahr sollten alle angeführt sein, oft sind aber auch die jüngeren Kinder aufgelistet.

Enthalten sind die jeweiligen Untereigentümer: Bauern, Handwerker, Kaufleute, Bürger, Wirte, Pfarrer, Lehrer, Inleute, Dienstboten usw.

Die Sprache entspricht dem Original, Tschechisch oder Deutsch.

Man kann in den Dateien nach Worten, z.B. Namen suchen.

Wer Tschechisch versteht findet hier einen Wikipedia-Artikel zu den Seelenlisten:
https://cs.wikipedia.org/wiki/Soupis_poddan%C3%BDch_podle_v%C3%ADry_z_roku_1651

 

Gegen Ende der Dateien befindet sich ein Inhaltverzeichnis, ein Ortsindex (Register/Rejstřik) auch mit den deutschen Ortsnamen, eine deutschsprachige Einleitung, eine Übersetzung der Anmerkungen zu einzelnen Untertanenverzeichnissen und eine Liste der Abkürzungen (Zkratky).

 

Diese Seelenlisten sind eine einzigartige überregionale Quelle im alten Habsburgerreich. In keinem anderen Kronland gibt es Vergleichbares.
Die Berni Rula (Steuerliste) von 1654 in Böhmen, das Mährische Lahnenregister von 1669-1679, ja selbst die Kataster des 18. und 19. Jahrhunderts listen immer nur die Grundsteuerpflichtigen auf. Erst die frühen Volkszählungen von 1754 - 1769 erfaßten wieder die gesamte Bevölkerung, diese Unterlagen sind allerdings zum größten Teil verlorengegangen. Und selbst von den Volkszählungen 1857, 1869, 1880, 1890, 1900 und 1910 sind in vielen Regionen die Aufnahmebögen und damit die Detaildaten verloren.

 

Was kann der Grund sein, daß man eine gesuchte Person, eine Familie oder einen Ort nicht findet?

1. Dieser Kreis ist noch nicht transkribiert bzw. noch nicht ins Netz gestellt.

2. Diese Grundherrschaft oder Stadt hat 1651 keine Listen eingeschickt.

3. Dieser Ort trug damals einen völlig anderen Namen.

4. In manchen Regionen gab es damals noch keine stabilen erblichen Familiennamen, damit kann es sein, daß dort die Berufsbezeichnung oder ein Spitzname als Namensersatz verwendet worden ist. Siehe Band Königgrätz, Seite 1496

5. Es wurden Hausnamen statt der erblichen Familiennamen eingetragen.

6. Der Ort war 1651 noch völlig verödet und wurde daher bei der Beschreibung ausgelassen.
Das kann man nur anhand der Lokalgeschichte klären.

Ergänzungen und Berichtigungen zu dieser Beschreibung sind erbeten.
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Wien im Oktober 2017
ergänzt im März 2018 und im April 2018
Günter Ofner