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Troppau, 14. Mai 1941 - Stade bei Hamburg, 9. Juni 2010

Herr Gernut Rotter wurde mitten im Zweiten Weltkrieg, am 14. Mai 1941, in Troppau (tsch. Opava) geboren, das damals zum Reichsgau Sudetenland gehörte. Er war der Sohn des Journalisten Walter Rotter (1905–1978), der nach 1945 Redakteur beim Main-Echo war und der Marie Rotter, geb. Schindler (1908-1980).

Herr Rotter studierte Semitistik, Islamwissenschaften, Afrikanistik, vergleichende Religionswissenschaften und Völkerkunde und promovierte 1967 an der Universität Bonn über Die Stellung des Negers in der islamisch-arabischen Gesellschaft bis zum XVI. Jahrhundert. 1977 habilitierte er sich an der Universität Tübingen mit einer Arbeit über die Umayyaden. 1980 bis 1984 war der bekennende Atheist Direktor des deutschen Orient-Instituts in Beirut und anschließend wurde er Professor für gegenwartsbezogene Orient-Wissenschaft am Orientalischen Seminar der Universität Hamburg. 2005 wurde er emeritiert. Rotter gab die Bibliothek Arabischer Klassiker heraus.

Er war auch politisch tätig, u.a. von 1987 bis 1991 Abgeordneter der Grünen im Rheinland-Pfälzischen Landtag. Auch danach äußerte er sich öffentlich zu politischen Themen, so kritisierte er 1991 deutsche Medien, weil sie nach seiner Auffassung ein verzerrtes Islambild kolportierten. Rotter gehörte 2001 zu den Erstunterzeichnern des sog. Berliner Aufrufs und war Mitglied des Rates für Migration.

Auswahl seiner wichtigsten Werke:

- Die Stellung des Negers in der islamisch-arabischen Gesellschaft bis zum XVI. Jahrhundert. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn 1967

- Die Umayyaden und der zweite Bürgerkrieg (680–692). Deutsche Morgenländische Gesellschaft, Steiner, Wiesbaden 1982

- Allahs Plagiator. Die publizistischen Raubzüge des Nahostexperten Gerhard Konzelmann. Palmyra, Heidelberg 1992, ISBN 3-9802298-4-X

- Das Leben des Propheten, Tübingen 2004 - Nahostlexikon. Der israelisch-palästinensische Konflikt von A-Z. Palmyra, Heidelberg 2006

Sein Bruder ist der Mittelalterhistoriker Ekkehart Rotter, mit dem er zusammen 1999 das Buch Venus, Maria, Fatima. Wie die Lust zum Teufel ging schrieb, das sich mit der Sexualitäts- und Frauenfeindlichkeit islamischer und christlicher Traditionen beschäftigt.

Daneben war Herr Gernot Rotter ab 1997 auch in der Heimat- und Familienforschung tätig, vor allem im Bereich Österreichisch Schlesiens. U.a. sammelte er alle Erwähnungen des Namens Rotter. Im Jahre 2008 erschien von ihm als erstes Ergebnis seiner Forschungen als Privatdruck eine umfangreiche Familiengeschichte (127 Seiten) mit dem Titel: „Kleine Geschichte der Rotter. Zu Ehren des neunzigsten Jubelfestes der hochlöblichen und ehrsamen Frau Schulmeisterin Herta Rotter in Wort und Schrift gesetzt von Gernot Rotter.“ Etwa im Jahr 2000 begann er damit Edwart Richters 8-bändiges unveröffentlichtes Werk "Geschichte und Topographie der Landschaft Hotzenplotz" aus dem Landesarchiv (tsch. Zemsky Archiv) in Troppau (rund 2.500 handgeschriebene DIN-A4-Folio also 5000 Seiten) aus der Zeit vor 1900 zu editieren. Glücklicherweise wird die Edition des "Richter" von zwei Kollegen fortgeführt.

Im November 2005 war er Initiator, Leiter und einer der Referenten beim Troppauer Symposium "Die mährischen Enklaven in Schlesien", einer gemeinsamen Veranstaltung des Staatsarchives in Troppau (tsch. Opava) und der Sudetendeutschen Akademie für Wissenschaften und Künste in München in der Schlesischen Universität in Troppau.

Am 9. Juni 2010 ist dieser bedeutende Orientalist, Islamwissenschaftler, Publizist, Politiker, Heimatforscher und Genealoge nach langer schwerer Krankheit in seinem Wohnort Stade bei Hamburg verstorben.

Vor etwa 10 Jahren lernte ich Herrn Rotter in Troppau im Archiv kennen und blieb bis zu seinem Tod mit ihm in Kontakt. Er war ein Mann mit überragendem Wissen, der faszinierend erzählen konnte und dabei auch nie den Bezug zur Gegenwart verloren hat. In der Genealogieszene hat er Vielen geholfen, auch ich habe viel von ihm gelernt. Glücklicherweise bleiben seine fundierten Beiträge in den Listenarchiven der Nachwelt erhalten. Dabei blieb er immer ruhig, sachlich und fast bescheiden. Wir werden ihm und seinem Werk ein ehrendes Andenken bewahren.

Günter Ofner, Wien, im Juni 2011