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Mit Patent Nr. 1178 vom 10. März 1770 ordnete "Kaiserin" Maria Theresia die Durchführung einer Seelenbeschreibung (Volkszählung) in ihren, den habsburgischen, Ländern an. 
In einem Nebensatz wird darin auch die Anbringung von Hausnummern verordnet: "Zu diesem Ende soll sothane Beschreibung von den kreisämtlichen Kommissarien, und Militäroffizieren einverständlich vorgenommen werden, und ist zugleich das Zugvieh zu konskribieren, und die Häuser zu numeriren."
Hier kann man den Originaltext einsehen: http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=tgb&datum=1774&page=309&size=45

Diese Volkszählung diente übrigens der Erfassung aller Rekruten und bereitete das, dann im Jahr 1771 eingeführte, Konskriptionssystem bei der kaiserlichen Armee vor.

Die Umsetzung erfolgte in den Jahren 1770 und 1771 in allen damals habsburgischen Ländern.

Auch in den Matriken wurden die Hausnummern eingetragen und stellen heute ein wichtiges Hilfsmittel zur Identifizierung von Familien dar.

Zahlreiche Nachträge und Erläuterungen folgten: 

Auch "einwendige" Anbringung:
http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=tgb&datum=1774&page=448&size=45

Das Konskriptionspatent vom 17. September 1777, usw.

 

Konskriptionsnummern (C. N.)

Nummeriert wurde nach Konskriptionsnummern (Beschreibungsnummern). Das heißt, man begann an einem zentralen Platz, oft am Hauptplatz mit der Nummerierung der Gebäude und nummerierte dann fortlaufend den ganzen Ort durch. Oft bekam dabei das Rathaus die Hausnummer 1.

Nummeriert wurden nur Gebäude, in denen auch Menschen gewohnt haben, es ging ja um eine Volkszählung mit militärischem Hintergrund. D.h. Rathäuser, in denen ja meist auch der Stadtrichter (Bürgermeister), der Stadtschreiber usw. sowie ein Hausmeister mit ihren Familien lebten, wurden nummeriert, ebenso die Pfarrhöfe, Klöster, Heime und natürlich alle Wohnhäuser. Kirchen, Scheunen, Ställe usw., in denen niemand wohnte, bekamen damals aber keine Hausnummern.

Auch große Städte, wie beispielsweise Wien (die heutige Innere Stadt) wurden so komplett durchnummeriert. Hier gab es also von Anfang an auch vierstellige Hausnummern.

Dieses System war für die Erfassung aller Bewohner und die Verwaltung sehr geeignet. Jedes Wohngebäude war nun gut und eindeutig identifizierbar.

Aber bei Neubauten gab es Probleme. Denn denen wurde einfach die nächste freie höhere Hausnummer zugeteilt - egal wo sie errichtet worden sind. D.h. beispielsweise die neue Hausnummer 256 konnte zwischen den "alten" Häusern 32 und 33 liegen. Das führte mit den Jahren zu Problemen, denn neuen Häuser waren so ohne genaue Ortskenntnis nur schwer auffindbar. Je mehr neue Häuser errichtet wurden und je größer der Ort war, desto größer wurden diese Probleme.

Vorerst behalf man sich mit Umnummerierungen, d.h. der gesamte Ort erhielt neue Nummern. Das half für einige Jahre, aber dann wurde das Problem der Auffindung neuer Häuser wieder virulent.
In den, damals rasch wachsenden, Wiener Vorstädten wurde zwischen 1773 und 1830 beispielsweise bis zu fünf Mal umnummeriert. Hier eine Übersicht von Frau Renate Fennes dazu: http://www.familia-austria.at/index.php/forschung-und-service/netzrecherche/111-matriken-im-netz/488-oesterreich#h13-3-informationen-zu-pfarrzugehoerigkeit-und-nummerierung-der-einzelnen-haeuser-1771-1862

Aber diese häufigen Umnummerierungen führten zu neuen Problemen, weil man dann Konkordanzlisten anlegen mußte um historische und aktuelle Hausnummern zuordnen zu können.

 

Orientierungsnummern

Um diesen Mißständen abzuhelfen wurde im Volkszählungsgesetz vom 23. März 1857 für die großen Städte wahlweise auch eine "gassenweise Nummerierung" zugelassen.
§ 11 lautet: "Wenn die Nothwendigkeit der neuen Numerierung einer ganzen Ortschaft eintritt, haben die Nummern mit 1 anzufangen, und nach der Lage der Häuser auf die schicklichste Art in arithmetischer Ordnung fortzulaufen, bis alle zu der nämlichen Ortschaft gehörenden Wohnhäuser numeriert sind - Stadttheile und Vorstädte, welche einen eigenen Namen führen, sind in Hinsicht der Numerirung abzusondern.
Für ausgedehnte Städte kann auch eine gassenweise Numerirung stattfinden."

http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=rgb&datum=1857&page=249&size=45

 

In Wien wurde die Einführung der Orientierungsnummern am 2. Mai 1862 vom Gemeinderat beschlossen und 1863 umgesetzt. Vorerst zusätzlich zu den Konskriptionsnummern, schließlich ohne diese.

Damit wurde jede Straße getrennt nummeriert. Und zwar auch die beiden Straßenseiten getrennt, mittels ungerader (linke Seite) und gerader (rechte Seite) Hausnummern.
Radialstraßen wurden von der Stadtmitte weg ansteigend nummeriert, Querstraßen im Uhrzeigersinn aufsteigend. 
Dieses sogenannte Winklersche System, benannt nach dem Schilderfabrikanten Michael Winkler (* 17. Juli 1822 in Místek, † 20. April 1898 in Wien) gilt bis heute.
Das Prinzip, daß Radialstraßen immer eckige Straßenschilder bekamen, Querstraßen (parallel zu Ringstraße und Gürtel) aber ovale und die verschiedenen Farben für die einzelnen Bezirke wurde inzwischen wieder aufgelassen.
An alten Häuser in der Innenstadt, bzw. in deren Eingangsbereich findet man gelegentlich auch noch die alten Schilder mit den Konskriptionsnummern. Und auch einige eckige bzw. runde Schilder haben die Zeiten überdauert.

In den folgenden Jahrzehnten folgten zahlreiche andere Orte diesem Nummerierungsmodell.
Aber in vielen kleinen Ortschaften in Österreich ist unverändert noch das System der Konskriptionsnummern in Kraft.

 

Tschechien

In Tschechien werden beide Nummerierungen unverändert parallel angewendet. Konskriptionsnummern sind weiß mit rotem HintergrundOrientierungsnummer weiß mit blauem oder schwarzem Hintergrund. Bei den Konskriptionsnummern in den Städten wird oft auch der Name des Stadtbezirks oder dessen Nummer und der Straßenname angeführt.

 

Weiterführende Literatur:

Anton Tantner (Dissertation): "Ordnung der Häuser, Beschreibung der Seelen - Hausnummerierung und Seelenkonskription in der Habsburgermonarchie"
http://othes.univie.ac.at/28/1/tantner_diss.pdf

Wien Geschichte Wiki auf der Basis des "Historischen Lexikon Wien" von Felix Czeike
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/H%C3%A4usernummerierung

Konskriptions- und Orientierungsnummern in Österreich und Tschechien - mit vielen Fotos:
http://www.zwittau.de/verweise/ff/nummern/konskriptionsnummern.htm

 

Alle Leser sind eingeladen, mir ihre Erfahrungen und ihre Sicht der Dinge zu schreiben und mich auf Fehler und Irrtümer meinerseits aufmerksam zu machen.

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