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Wien, 16. August 1950 – Wien, 3. März 2020

Frau Ursula Faustmann wurde am 16. August 1950, also bald nach dem Ende des 2. Weltkriegs, in Wien Döbling geboren und wuchs gemeinsam mit ihrem Bruder in Wien-Neu-Fünfhaus bzw. Wien-Mariahilf auf.
Ihre Eltern waren der Trafikant Franz Faustmann (1920-1993) und seine Gattin Dkfm. Hanna, geborene Wiet (1924-2006), die als Buchhalterin arbeitete.

Ursula war eine gute Schwimmerin und nur ihr jugendliches Alter verhinderte ihre Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen in Tokyo 1964.

Frau Faustmann besuchte von 1960-1966 das Bundesgymnasium Albertgasse in der Josefstadt in Wien und anschließend jenes in Laa an der Thaya, wo sie im Juni 1968 auch maturierte.

Ab 1968 studierte sie Betriebswirtschaft an der Hochschule für Welthandel, brach das Studium aber nach der Geburt ihres ersten Sohnes ab. Sie arbeitete anfangs für die ‚Zentralsparkassa‘ in Wien im Kassendienst, später dann in der EDV-Firma ihres damaligen Ehemannes und bildete sich selbst zur EDV-Expertin aus. Nach der Scheidung 1977 war sie als EDV-Betreuerin für die Firma ‚Walter Adam‘ tätig. 1983 nahm sie eine Stelle in der EDV-Abteilung der Technischen Universität Wien an, wo sie als stellvertretende Abteilungsleiterin bis zur Pensionierung 2008 tätig war. Ab 2004 war sie halbtags, ab 2005 dann ganztägig als Betriebsrätin tätig.

Ursula engagierte sich in den 1980er-Jahren für den Fußballverein Ihrer Söhne ‚Red Star Auto‘ und war in diesem Verein bei allen Aktivitäten nicht wegzudenken. Sie vertrat ihre Eltern, die nach der Pensionierung 1980 nach Südspanien verzogen waren, in Wien.

Von 1989 - 1994 studierte sie nebenberuflich an der Universität Wien Rechtswissenschaften (1. und 2. Diplomprüfung) und absolvierte dabei u. a. die Prüfungen aus Rechtsgeschichte, Völkerrecht, Arbeitsrecht und Politische Geschichte mit ‚sehr gut‘.

Ursula hatte bereits als Kind einen Stammbaum gezeichnet und nahm im Jahr 2000, angeregt durch mich, diese Forschung wieder auf. Wir bereisten gemeinsam viele Regionen unserer Vorfahren in Tschechien, der Slowakei und in Österreich, lernten bis dahin fremde Regionen kennen, besuchten dutzende Archive und spürten dabei verschollenen Verwandte Ursulas in der halben Welt auf.
Ihre Ahnen lebten in so gut wie allen Regionen Böhmens, Mährens, Österreichisch Schlesiens, der Slowakei, Ungarns, Kroatiens, des Küstenlands, Niederösterreichs, der Steiermark, des Burgenlands usw. – ein richtiges ‚Kind der alten Monarchie‘. Ihre geliebte Urgroßmutter Vilma Wiet stammte aus der Wissenschaftler- und Unternehmerfamilie Divald sowie der Grafenfamilie Nyáry, die man gesichert bis ins Spätmittelalter zurückverfolgen kann, legendenhaft sogar bis ins 11. Jahrhundert.

Sie las sehr gerne, vor allem Biographien, geschichtliche Werke (z.B. die von Brigitte Hamann, Joachim Fernau, Fred Hennings, Walter Kempowski, Thea Leitner, Erich Maria Remarque, Ilse Tielsch), die Romane von Pearl S. Buck. A. J. Cronin, Taylor Caldwell, Mark Twain, Alexandra Rachmanowa, Agatha Christie, Richard Gordon, Erich Kästner, Hugo Hartung, Ephraim Kishon, John Grisham, John Irving usw., alte Mädchenbücher, die Lyrik von Trude Marzik usw. und besaß eine große private Bibliothek von über 2000 Büchern. Sie liebte Musik, sowohl die amerikanische der 1950er und 1960er-Jahre (z.B. Johnny Cash), die Lieder von Reinhard Mey und Leo Slezak usw., aber auch Werke der Klassik.

Ursula war eine große Tierfreundin und liebte besonders Katzen. Den Großteil ihres Lebens über hielt und verwöhnte sie diese. Sie hegte in ihrer perfekt organisierten Wohnung auch zahlreiche Grün- und Blütenpflanzen, die prächtig gediehen.  

Sie war sehr musikalisch, spielte ausgezeichnet Akkordeon und besaß wie sie sagte „fast das absolute Gehör“.

Frau Faustmann war schon beim allerersten ‚Wiener Genealogenstammtisch (WGSt.)‘ am 23. September 2003 dabei, wirkte führend bei der Organisation und Durchführung des 20. WGSt. anläßlich des 58. Deutschen Genealogentages in Wien mit, ebenso beim großen Symposium ‚Unseren Wurzeln verbunden‘ am 3. und 4. Oktober 2008 in Wien und nahm auch an der Vorbereitung zur Gründung von Familia Austria teil, ohne jedoch als Proponentin aufzutreten.
Sie war auch eines der ersten Mitglieder (Mitgliedsnummer 91) und nach der Überwindung einer Augenerkrankung eine der wichtigsten und fleißigsten Mitarbeiterinnen.

Für ihre herausragende Leistung für das WZ-Projekt (von Oktober 2014 - Februar 2016: 74 Monate mit 35.940 Datensätzen) wurde Frau Faustmann, gemeinsam mit den anderen führenden Mitarbeitern am Projekt, am 19. Jänner 2017 durch eine Urkunde im Wiener Rathaus geehrt.

Ursula erfaßte 79.953 (= 93,73%) der insgesamt 85.305 Karteikarten zu den Totenbeschauprotokollen Wiens 1648-1694 und erschloß damit der Forschergemeinde rund ein halbes Jahrhundert.

Ihre Mitarbeit bei unserer Familia betraf praktisch alle Gebiete. Dank Ihrer hohen Intelligenz (gemessener IQ von 145), ihrer umfassenden Bildung, ihrer raschen Auffassungsgabe und ihres regen Geistes wirkte sie in unserer Familia auf vielen Gebieten.

Für unser Projekt Periodica erfaßte sie Sterbelisten aus Graz, Ofen-Pest, Eger, Hermannstadt und Kronstadt. Bei der Erfassung der Sterbedaten aus dem Grazer Volksblatt 1868-1916 lag ihr Arbeitsanteil bei 100.964 Datensätzen, das sind 62,4% der insgesamt 161.803 Datensätze. Beim Projekt Pest 1891-1910 erledigte sie 82.190 der 91.439 Datensätze (= 89,89%), bei Eger 1847-1910 27.429 (= 90,25%) von 30.395, bei Hermannstadt 1837-1846 sowie 1853-1854 4.104 von 5.046 (= 81,34%) und bei Kronstadt 1854, 1856-1864  3.102 von 4.324 (= 71,74%).
Mit 217.789 der bis September 2019 erfaßten insgesamt 445.844 Datensätzen war sie nicht nur die wichtigste Mitarbeiterin, sie hatte damit sogar fast die Hälfte (48,85%) aller Periodica-Datensätze aus allen alten Zeitungen erfaßt.

Als 2015 unser Mitarbeiter Herr Norbert Wallauch verstarb übernahm Frau Faustmann die Erfassung der Hochzeiten aus der Wiener Zeitung 1714-1718 und 1828 - insgesamt 4.580 Datensätze und der Taufen 1714-1726 - insgesamt 37.197 Datensätze. Sie wertete auch mehrere Heimatbücher für unsere Einwohner-Datenbank aus und war immer zur Stelle wenn jemand ausfiel oder etwas rasch und verläßlich erledigt werden mußte.

Beim Projekt zur Erfassung der ‚Verlustlisten des 1. Weltkriegs’ hat sie viele Vorarbeiten geleistet, u.a. Listen aller 15.726 Truppenkörper und 576 Chargen erarbeitet, weiters die EDVmäßige Vorbereitung vieler Hefte durchgeführt und war bis zum 16. Oktober 2019 die führende Erfasserin überhaupt: 347.311 von insgesamt ca. 1.725.000 Datensätzen (= 20,14%).

Nach der Anmietung unseres Vereinslokales im Herbst 2013 übernahm sie den Aufbau unserer Vereinsbibliothek (im März 2020: 1.964 Bände).
Sie arbeitete an allen unseren Schriften mit, las sie Korrektur und bereinigte so sehr viele Fehler. Bei unserer Schrift Nr. 4 (‚Schola Hornana‘) redigierte sie die lateinischen Ausdrücke und Anmerkungen.

Im August 2015 übernahm Frau Faustmann auch die lange vernachlässigten Sammlungen der alten Berufe und alten Krankheitsbezeichnungen auf unserer Netzseite und baute sie rasch zu großen Nachschlagewerken aus.

Als wir im Jahr 2014 100 Weitergaberechte für die 'Administrativkarte Niederösterreich 1864-1882' vom BEV erwarben besorgte Ursula die 100 DVDs dafür, überspielte die jeweils 111 Kartenblätter auf diese 100 DVDs, entwarf und produzierte die Umschläge dafür und besorgte den Versand.

Sie managte die Anmeldungen für alle unsere Veranstaltungen, begrüßte und betreute die Ankommenden, fotographierte, erstellte und archivierte die Namensschilder für unsere Großveranstaltungen.

Ursula war auch bei unserem Symposium 'Österreicher aus Böhmen, Mähren und Schlesien' von 16.-18. Mai 2014 in Wien sowie bei unserer 10-Jahresfeier am 17. November 2018 die tragende Säule und ermöglichte durch zahlreiche Tätigkeiten vor, während und danach den reibungslosen Ablauf dieser Großereignisse.

Bei (fast) allen Forschertreffen war sie dabei, betreute dort die Benützer unserer Bibliothek, gab Lesehilfe, Forscherhilfe und EDV-Hilfe. Da sie ausgezeichnete Latein-Kenntnisse hatte war sie oft der letzte Rettungsanker bei lateinischen Texten, übersetzte aber auch ungarische und tschechische Passagen und widmete sich schrecklichen Schriften solange bis sie sie entschlüsselt hatte.

Das galt auch für unsere vereinsinterne Mail-Liste, wo sie hunderte Male Lese-, Forschungs- und Übersetzungshilfe gegeben hat. Parallel dazu beantwortete sie auch viele Hilfsersuchen, die sie privat erreichten.

Sie nahm an allen Schulungen, Vorträgen und Exkursionen unseres Vereins, egal ob in unserer Bibliothek oder auswärts, teil und auch an praktisch allen meiner Vorträge bei verschiedenen Institutionen und Vereinen, wobei sie oft auch selbst als Referentin auftrat.
Gemeinsam vertraten wir Familia Austria u.a. bei Veranstaltungen in München, Augsburg, Regensburg, Preßburg, Marienbad, Ödenburg usw. und an zahlreichen Orten Österreichs.

Auch beim Versand unserer Schriften, der der schnelleren Erledigung wegen von ihrer Privatwohnung aus erfolgte, war sie führend tätig und hat dafür viele hundert Kilogramm an Schriften zur Post geschleppt.

Seit 2014 war sie Beirätin und lehnte mehrere Angebote in den Vereinsvorstand aufzurücken ebenso ab wie die mehrmals angebotene Ehrenmitgliedschaft.

Am 3. März 2020 ist Ursula nach kurzer schwerer Krankheit im AKH in Wien verstorben.
Mit ihr ist ein tragendes Fundament und einer der wichtigsten „Motoren“ unserer Familia hinübergegangen und mit ihr auch ihr umfassendes Wissen und Können.

Wir werden stets mit Hochachtung und Dankbarkeit an diese überaus fleißige, hochbegabte, kompetente, hilfsbereite und sympathische Kollegin zurückdenken.

Günter Ofner, Wien im September 2020

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