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7. VIELSPRACHIGE ORTSNAMEN

"Ich suche Vorfahren in Ödenburg, heute Sopron in Ungarn" solche und ähnliche Suchen liest man täglich in allen Foren und Mail-Listen.

Das impliziert, den Ortsnamen "Ödenburg" gäbe es heute nicht mehr und den Ortsnamen "Sopron" hätte es vor nicht allzulanger Zeit noch nicht gegeben, wäre also neu erfunden worden. Dabei sind beide Ortsnamen uralt, stammen aus dem Mittelalter und haben immer unabhängig nebeneinander existiert. Im Deutschen wurde diese Stadt immer "Ödenburg" genannt, im Ungarischen "Sopron". Es gibt also kein "früher" und kein "heute", sondern eben verschiedene Ortsnamen in den verschiedenen Sprachen. Die zahlreichen Kroaten dieser Region verwenden übrigens Šopron, ebenso die Slowaken und Slowenen. Die Tschechen nennen die Stadt Šoproň und der ebenfalls sehr alte lateinische Ortsname lautet "Scar(a)bantia".

Diese Situation ist typisch für das alte Österreich-Ungarn. Dort war Vielsprachigkeit ganz normal und akzeptiert. Vor hundert Jahren wäre es keiner deutschsprachigen Zeitung eingefallen "Cheb" für Eger zu verwenden und keiner tschechischsprachigen "Wien" für "Víden".

Das hatte auch überhaupt nichts mit der vor Ort verwendeten Umgangssprache zu tun. In Eger (Westböhmen), bis 1806 rechtlich gesehen eine habsburgische Pfandherrschaft und ein Teil Bayerns, hat man bis 1945 praktisch nur Deutsch gesprochen - trotzdem ist die tschechische Namensform "Cheb" uralt. Und in Wittingau (Südböhmen) hat man seit langer Zeit immer mehrheitlich Tschechisch gesprochen und trotzdem gibt es den deutschen Ortsnamen des tschechischen "Trebon" schon viele hundert Jahre.

Der deutsche Name für (kroatisch) Zagreb lautet "Agram", der für das (ungarische) Győr "Raab". In keiner der beiden Städte gab es jemals eine deutschsprachige Mehrheit. Krems an der Donau, Linz und Salzburg waren nie tschechischsprachig, trotzdem lauten ihre Ortsnamen auf Tschechisch: "Kremže", "Linec" und "Solnohrad".

Je älter und größer ein Ort ist und je weiter man nach Osten kommt, desto mehr Sprachvarianten gibt es. Hermannstadt in Siebenbürgen beispielsweise heißt auf Ungarisch "Nagyszeben", auf Rumänisch "Sibiu", auf Polnisch "Sybin", auf Tschechisch " Sibiň" und auf Latein "Cibinium".

Die alte Stadt "Kaschau" im Osten der Slowakei heißt auf Slowakisch und Tschechisch "Košice", ebenso auf Serbisch und Russisch ("Кошице"), auf Ungarisch heißt sie "Kassa", auf Romani "Kasha" oder "Kasza", auf Rumänisch "Cașovia", auf Polnisch "Koszyce", auf Kroatisch "Kašava", auf Ukrainisch "Koshytsi/Кошиці", auf Hebräisch "קושיצה", auf Französisch "Cassovie" und auf Latein und Italienisch "Cassovia".

Das benachbarte "Eperies", das auf Deutsch von 1939–1945 auch "Preschau" genannt worden ist, heißt auf Slowakisch und Tschechisch "Prešov", auf Ungarisch "Eperjes", auf Polnisch "Preszów", auf Romani "Perieszys" und "Peryeshis", auf Ukrainisch "Prjaschiw/Пряшів" auf Russisch "Prjašev/Пряшев" und auf Latein "Fragopolis", "Eperiessinum", "Epuries" und "Aperiascinum".

Hier finden Sie einige Beispiele aus dem Süden der Monarchie.

Diese Liste ließe sich jetzt sehr lange fortsetzen. Erstaunlicherweise, und entgegen den Empfehlungen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften", wird immer mehr diese falsche Form "… Ödenburg, heute Sopron …" verwendet.

Richtig wäre es in deutschen Texten die deutsche Namensform zu verwenden, in ungarischen die ungarische, in tschechischen die tschechische usw. – und jeweils bei der ersten Erwähnung im Text eine oder zwei weitere geläufige Sprachvarianten in Klammer.

Beispiele:

- Ödenburg (ung. Sopron)
- Eger (tsch. Cheb)
- Kaschau (slowa. Košice, ung. Kassa)
- Hermannstadt (rum. Sibiu, ung. Nagyszeben)
- usw.

Unsere östlichen Nachbarstaaten haben mit den traditionellen Ortsnamen übrigens keine Probleme. In Ödenburg, Raab, Hermannstadt usw. stehen sogar zweisprachige Ortstafeln.